Festschrift zur 300. Jahrfeier der
Bürger-Schützen-Kompagnie
Greifswald
1634 – 1934
1-3.Juli 1934
Protektor des Hauptfestausschusses
Oberbürgermeister Fleischmann
Ehrenmitglied der Bürger-Schützen-Kompagnie Greifswald

Viele der Beiträge sind Zitate aus der Festschrift. Um diese einzuordnen, muss man den Zeitgeist des Jahres 1934 berücksichtigen.
Die Schützentradition
Die heutige Schützentradition hat ihren Ursprung im Mittelalter, als sich die Städte gegen Übergriffe des Adels und der Fürsten schützen mussten. Die Beteiligung in diesen Schützenges. wurde durch Verleihung von Vorrechten, insbesondere an die besten Schützen, gefördert. Die Schützenfeste (Vogelschießen) auf denen der Beste ermittelt wurde, fanden gewöhnlich im Mai auf dem Schützenanger statt und entwickelten sich bald zu echten Volksfesten. In Deutschland entstanden die ersten Schützengesellschaften im 11. Jh., ihr Aufbau entsprach dem der Zünfte. Politisch-militärische Bedeutung erlangten die schweizer Schützenges. im 14. Jh. im Kampf gegen Österreich, die sächsisch-thüringischen Schützenges. im 15. Jh. gegen die Hussiten, die niederländischen gegen Spanien, die Tiroler Standschützen 1809 gegen Napoleon I. und 1915-18 gegen Italien. Die deutschen Schützenges. wandelten sich zuletzt in Vergnügungsges., während die schweizer und niederländischen Ges. ihren Milizcharakter bewahrt haben.
300 Jahre Bürger-Schützen-Kompagnie
Mitgeteilt von Otto Wobbe
Wie es vor 100 Jahren bei einem Schützenfest zuging, schildert der nachfolgende zeitgenössische Bericht vom Jahre 1833.
Unser Scheibenschießen ist vorüber. Augenzeugen wollen behaupten, es sei im Ganzen nicht so gut geschossen worden wie im vorigen Jahr, weil die Schützen am entscheidenden Tage nur einmal gut im Schuss gewesen wären jedoch etwas zu früh! Dem sei wie es wolle – nach alter Sitte, zog am Abende der neue König an der Spitze seiner Treuen in die geschmückten Stadt und Frohsinn und Jubel herrschen in den heiligen Hallen des ehrwürdigen Rathauses.
Am Mittage des zweiten Tages hatte man Gelegenheit, die fast durchweg geschmackvollen und zum Teil kostbaren Anzüge unserer Bürgerfrauen zu bemerken. Um Greifswald Wohlstand muss es in der Tat gut stehen, wenn von jener Kleiderpracht sich richtig auf denselben schließen lässt. Nur schade, dass so manche unserer allerliebsten Bürgersfrauen nicht zu bemerken schien, wie wenig sie das Putzes bedarf. Indessen will bei solcher Gelegenheit dem Feste aller Feste eine der anderen nicht nachstehen. Ein bis an den hellen Morgen wärender Ball auf dem Rathause, ausgezeichnet durch Heiterkeit und Anstand, beschloss den zweiten Tag.
Am dritten und letzten Tage des Festes war der zu solchen Vergnügen leider viel zu schmale Wahl von einer zahlreichen Menge Trink-, Spiel und Schaulustiger besucht. Policinell (Kasperle), der Unsterbliche, erfreute sich des besten Zuspruchs und war sehr einnehmend. Neid und Grimm im Blicke schauten auf ihn die müßig Harfenistinnen und Leiermädchen. Gerne, oh Policinell , redete ich zu dir noch einige ernste Worte, – bähte dich nach besseren Witzen dich umzutun, warnte dich, der in seiner Unveränderlichkeit, im Prinzip der Stabilität seine sicherste Stütze finden sollte, nicht der Mode zur unterliegen, die Originalität deiner äußeren Erscheinung nicht schwinden zu lassen, dein altes, manchem aus frühester Jugendzeit sowohl bekannte und lieb gewordene Kleid von blau und weiß gewürfelten Zeuge nicht zu vertauschen gegen moderne inhaltsschwere Farben. Drum ziehe hin in Frieden angenehm war dennoch manchem deine Erscheinung, weckte sie doch Erinnerung an eine schönere Zeit, – an jeder Zeit, wo der Mensch nichts betrübenderes kennt, als wenn er sein Butterbrot nicht zur rechten Zeit erhält. Oh, dass sie ewig grünen bliebe.
Ein Vorfall der schreckliche Folgen hätte haben können, hätte das Fest bald auf eine höchst tragische Weise beschlossen. Auf dem Walle an einem Platz, wo das Gedränge groß ist, den Spaziergängern unmittelbar zur Seite, wird die drei Tage hindurch vom Mittag bis spät abends aus kleinen Böllern geschossen. Polizeiliche Aufsicht findet dabei nicht statt Die Handhabung des Geschützes ist unwissenden und unvorsichtigen Leuten überlassen, welche überdies der Branntweinflasche fleißig zusprechen. Diese laden die Böller übermäßig, setzen unverhältnismäßig große Grastropfen drauf und bemühen sich unseren oft zu zarten Damen einen Schreck über den anderen einzujagen. Einer der Böller hatte das Schicksal des Lütticher Mörsers – er sprang – die Stücke sausten durch die Wipfel der Bäume, und drei Knaben stürzten besinnungslos zu Boden. Dank sei der ewigen Vorsehung, die hier sichtbar waltete, -lebensgefährlich ist zu viel man bis jetzt weiß, keiner getroffen, – aber welch Unglück hätte entstehen können? Möchten doch die Herren Alterleute der Schützengilde sie sich dadurch gewarnt sehen lassen! Wozu dies anhaltende, lästige Schießen in so unmittelbarer Nähe?
Machen denn die Feuergewehre der Schützen nicht schon Lärm genug? Sollen aber einmal auch die Böller nicht schweigen, so gebe man Ihnen einen angemessenen Platz, und vertraue die Aufsicht verständigen und nüchtern Leuten an. Möchte auch unsere Polizei es sich gesagt sein lassen! Feuer und Waffen sind für unvorsichtige zwei gefährliche Elemente, darum finde von Seiten der Polizeibehörde Aufsicht statt bei solchen Schützenmanövers.
Zum Schluss des Festes wurden am späten Abend des letzten Tages von unserem wackern Abel (der damalige Greifswalder Stadtmusikdirektor) und seinen Leuten den städtischen Behörden die üblichen Ständchen dargebracht, bei welchen sowohl die gute Ausführung, als die mitunter sinnige Auswahl Lob verdient;- wir erinnern uns an das vor einem Hause, in welchem eine ebenso schöne, als liebenswürdige Braut wohnt, vorgetragene und hübsch variierte: „Reich mir die Hand, mein Leben!“ – Möge der Himmel seinen besten Segen über unserm lieben Greifswald ruhen lassen und noch oft so frohe Tage, nie getrübt durch Unglücksfälle, uns schenken! -–“


Schützenkönige
der Bürger-Schützen-Kompagnie zu Greifswald ab 1884 bis 1933
- Mahn, Sen., August Bäckermeister 10.7.1884
- Jarmer, Gustav Hotelbesitzer 6.7.1885
- Schütte, August Instrumenten-Schleifer 5.7.1886
- Heuer, Julius Sen. Tapezier 4.7.1887
- Hückstädt, Moritz Malermeister 30.7.1888
- Hüser, Carl Brunnenmachermeister 8.7.1889
- Ohlrich, Eduard Schuhmachermeister 7.7.1890
- Schultz, Eduard Bäckermeister 6.7.1891
- Peters, Wilhelm Zimmermeister 4.7.1892
- Perlberg, Leopold Uhrmacher 3.7.1893
- Magistrat als Ehrenkönig
- Rahmann, Julius Färbermeister 2.7.1894
- Hückstädt, Moritz Malermeister 8.7.1895
- Rahmann, Julius Färbermeister 5.7.1897
- Mahn, Jun. August Bäckermeister 4.7.1898
- Jarmer, Gustav Rentier 3.7.1899
- Schimmelpfennig, Otto Seilermeister 5.7.1900
- Malchin, Carl Malermeister 8.7.1901
- Prinz, Adolf Tischlermeister 7.7.1902
- Teßler, Friedrich Tischlermeister 6.7.1903
- Schmolling, Adolf Restaurateur 4.7.1904
- Hilliger, Theodor Zeugschmiedemeister 3.7.1905
- Dethloff, Friedrich Schumachermeister 2.7.1906
- Otto, August Stuckateur 8.7.1907
- Alsdorff, Robert Töpfermeister 6.7.1908
- Malchin, Robert Malermeister 5.7.1909
- Haucke, Franz Schlächtermeister 4.7.1910
- Zobler, Max Hutfabrikant 3.7.1911
- Rietz, Wilhelm Kaufmann 8.7.1912
- Crawack, Emil Viehhändler 7.7.1913
- Strahl, Otto Uhrmachermeister 6.7.1914
- Weltkrieg
- Dethloff, Friedrich Kaufmann 7.7.1919
- Crawack. Emil Viehändler 5.7.1920
- Dethloff, Friedrich Kaufmann 4.7.1921
- Strahl, Otto Uhrmachermeister 3.7.1922
- Gräf, Richard Buchbindermeister 4.7.1923
- Weylandt, Adolf Malermeister 7.7.1924
- Pansow, Max Restaurateur 6.7.1925
- Libner, Ernst Kaufmann 5.7.1926
- Mehlberg, Otto Schmiedemeister 4.7.1927
- Behrendt, Rudolf Bäckermeister 2.7.1928
- Flottrong, August Hotelbesitzer 8.7.1929
- Weylandt, Adolf Malermeister 7.7.1930
- Grünwald, Walter Kaufmann 6.7.1931
- Wasmann, Bernhard Kaufmann 4.7.1932
- Schmökel, Hermann Hotelbesitzer 3.7.1933
Über das Pinnenschießen – 1934
Die Gewinnschießen vor dem Schützenfest und das Königsschießen wird nach Pinnen ausgetragen, das heißt: ein weißer Spiegel (genannt Pinne) von 9 cm Durchmesser mit der Ringzahl 18-20 wird auf die schwarze Scheibe geheftet und es werden nur die Treffer auf diese Pinne bewertet. Die Pinnen sind laufend nummeriert, werden bei jedem Einschlag ausgewechselt und vom Scheibenanzeiger in einer unter Verschluss gehaltenen Kassette bis zum Schluss des Schießens aufbewahrt. Am Schützenstand, in einer so genannten Schießkammer, sitzen zwei Kameraden von der Schießkommission; der eine von Ihnen beobachtet durch ein festgeschraubtes Fernrohr, den Einschlag der Kugeln, und der andere schreibt den Namen des Schützen und die Nummer der Pinne mit Angabe der Ringzahl in eine Liste.
Der Schluss des Schießens erfolgt ganz pünktlich und wird dem Scheibenanzeiger durch Fernruf oder Klingelzeichen mitgeteilt, der dann sofort die verschlossene Kassette mit den Pinnen im Vorstandszimmer abgibt. Hier werden zunächst die Pinnen ausgemessen, welches in der Regel die Alterleute tun. Dies geschieht mit einem eigens hierzu konstruierten Messapparat, welcher auf ein Zehntel Millimeter abgestimmt ist. Die Pinne wird eingespannt und durch ein Vergrößerungsglas von zwei Vorstandsmitgliedern festgestellt. Der Schriftführer schreibt die Teile, die angeben, wie weit der Schuss vom Zentrumskreuz entfernt ist, und den Namen des Schützen auf die Pinne. Ein Irrtum oder Verwechslung ist somit ausgeschlossen.
